Im Google-Kinderland (für Erwachsene)

„Aha, Werbung“, dachte ich kürzlich und wusste im ersten Moment nicht, warum ich ein zweites Mal hinsah und mir diesen Sponsored Tweet von Google genauer anschaute:

Der Tweet verlinkt auf einen Film, in dem zwar ein Kind mit Badeschaum spielt, in dem aber statt der Erinnerung an den Shampoo-Kauf eine ganz andere Leistung, nämlich eine Verkehrs-Info abgefragt wurde. Unverständlich, aber egal. Bleiben wir beim Shampoo.

Google will uns also helfen, unseren Alltag zu meistern, indem es uns daran erinnert Shampoo zu kaufen. Dazu eine These: Jeder halbwegs im Vollbesitz seiner Geisteskraft stehende Mensch ist in der Lage, seinen Alltag zu meistern. Indem man zum Beispiel einen Einkaufszettel schreibt. Wozu bräuchte man ein Unternehmen mit digitalen und vernetzten Services, um diese Leistung an ein Unternehmen zu delegieren? Richtig: Keiner. Stattdessen könnte ich mir vorstellen, dass dieses Angebot brauchbar wäre für zum Beispiel Demenz-Erkrankte. Für viele andere stellt sich dagegen die Frage, ob Google schon eine App anbietet, die einem dabei hilft, sich den Hintern abzuwischen.

Gehen wir noch einen Schritt weiter und schauen uns den Tweet in Googles-Twitter-Profil an:

Google Twitter bunt

Hier sieht’s aus! Alles so schön bunt und kindgerecht. Wie im Kindergarten. Niedliche Bildchen, ein Eis, ein Luftballon, alles grafisch reduziert auf einfachste Symbolsprache. Das erinnert mich an ein Foto von einem Google-Standort, bei dem im Treppenaufgang eine große, rote, lustige Rutsche installiert ist, auf der diverse Mitarbeiter beschwingt nach unten rutschen.

Nächster Schritt: Eine Google-Bildersuche nach den Stichworten „Arbeitgeber Google“. Man sieht erwachsene Menschen auf Rutschen, mit bunten Mützen in Google-Farben, überall wird gespielt, alles ist bonbonbunt und kugelrund und knuffig und … nun ja … wie in einem Kindergarten eben. Nur für Erwachsene; und sehr begehrt beim Arbeitnehmer-Nachwuchs, wie man liest.

Interessant. Einer plötzlichen Eingebung folgend schlagen wir mal das Stichwort „Infantilismus“ nach. Bei duden.de heißt es: „Das Stehenbleiben auf kindlicher Entwicklungsstufe in körperlicher oder geistiger Hinsicht.“ Und hier eine ausführlichere Beschreibung der Symptomatik in einen Psychologie-Lexikon. Zitat: „Lustprinzip statt Realitätsprinzip.“ Passt in weiten Teilen gut auf unser lustiges Google-Kinderland.

Nächster Schritt: Noch mal den Zusammenhang beachten. Was will Google? Daten. So viele wie möglich. Wie will es die Daten kriegen? Indem es den Infantilismus anspricht oder ihn fördert. Die vernetzten Angebote sollen uns ja den Alltag immer bequemer und komfortabler machen. So bequem, dass man sich nicht einmal mehr merken muss, dass man ja noch Shampoo kaufen wollte. Oder so bequem, dass man seine Hausgeräte von unterwegs aus steuern kann, dass man die Heizung auf dem Weg nach Hause anschalten kann, damit es kuschelig warm bei der Ankunft ist.

Und so durchdacht, dass die gesamte miteinander vernetzte, „intelligente“ Haustechnik vom Google-Einkauf Nest weiß, in welchem Raum sich die Bewohner eines Hauses aufhalten. Oder dass die Sensoren melden, dass, sagen wir mal im Schlafzimmer, eine auffällig hohe Luftfeuchtigkeit und Wärmeentwicklung zu registrieren ist. Dieser Fall wäre zum Beispiel ein schöner Ansatz für eine Google-App, die jetzt eine Push-Meldung auf’s Smartphone sendet mit der Erinnerung, ein Kondom zu benutzen, da Google ja weiß, dass in diesem Haushalt gerade verhütet werden soll. Das klingt wie ein Witz? Dann noch mal in Kurzform:

Big Data weiß, wann Ihr Sex habt. In Echtzeit.

Womit wir bei den harten Fakten hinter der infantilen Fassade angekommen wären. Es wird interessant zu beobachten sein, ob sich die Leute weiterhin fröhlich vom quietschebunten, bonbonbequemen Erwachsenen-Kinderland einlullern lassen und dafür Unternehmen nicht nur ins eigene Wohn-, sondern bis ins Schlafzimmer einladen.

 

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